Guangzhou 廣州市 / 广州市
Bei uns ist die Stadt mehr unter dem Namen Kanton bekannt. Sie wurde gern die "Fabrik der Welt" genannt, aber so bezeichnet man inzwischen ganz China. Guangzhou war schon immer ein bedeutender Handelsplatz und wirkt in dem Teil der Stadt, in dem wir wohnten, älter und gesetzter als die anderen Millionenstädte, die wir gesehen haben.
Sprechgesang auf Chinesisch
Rappt der Mann über Hasen oder Plüschtiere?
Jedenfalls hat er sichtlich Spaß! Wir auch!
Jedenfalls hat er sichtlich Spaß! Wir auch!
Im Land der Fleißigen
Überall in China sah es nach sehr viel harter Arbeit aus. Aber hier, ganz in der Nähe unseres Hotel, fiel es uns besonders auf. Bei Anbruch der Dunkelheit ging es erst richtig los. Wohin die vielen Pakete transportiert wurden, das blieb uns schleierhaft.
Der Canton Tower 广州电视观光塔
Der weibliche Fernsehturm, genannt "das Model". Ein Gegenentwurf von Mark Hemel und Barbara Kuit. 600 Meter hoch mit 16 Glasgondeln auf etwa 450 Meter Höhe und einer Freifall-Anlage, für Übermütige. Der eleganteste TV-Turm ist es in jedem Fall.
Abschied von China?
Wir gerieten am letzten Abend in ein riesiges Gebäude mit zahlreichen Restaurants. Es wirkte wie ein umgestaltetes ehemaligen Kaufhaus. Unsere hinreißende Kellnerin servierte uns das Abendbrot, ein Hähnchen (mit Kopf) und einen chinesischen weißen Wein, nach dem ganz offensichtlich nur sehr selten gefragt wird, vielleicht noch nie. Sie war jedenfalls überrascht. Great Wall heißt der Wein. Er ist gut trinkbar und als fast einziger auch bezahlbar. Weinanbau in China, vor ein paar Jahren noch belächelt, wird inzwischen ernst genommen. Unsere Kellnerin schickte den beiden weißen Männern aus Europa eine Aufforderung: zu fotografieren oder einen Abschiedsgruß? Obwohl wir auch noch Hongkong besuchen werden, mussten wir wohl davon ausgehen, dass wir China nunmehr verlassen werden, denn unser Visum wird mit dem Grenzübertritt seine Gültigkeit verlieren.
Adjeu auch chinesisches Fernsehen,
denn wir verließen nicht nur China, sondern auch die Flimmerkisten in unseren Hotelzimmern. Die Bilder sahen oft gar nicht so viel anders aus wie in der Glotze zu Hause. Aber wochenlang kaum ein Wort verstehen, nur manchmal spärliche Nachrichten in englischer Sprache und obendrein zensiert, das war nicht abendfüllend. Wie schon erwähnt, gab es bei Hongkong-Berichten von BBC-World oder CNN (nebenbei gesagt, nicht in jedem Hotel verfügbar) jeweils Schwarzblenden. Die gab es auch beim Lara-Croft-Film, als eine ältere Chinesin Lara mit Waffen versorgte. Die Szene muss der Zensor anrüchig gefunden haben. Viel Arbeit, denn amerikanische Blockbuster laufen in China ständig im Fernsehen, vielleicht nur im Hotel?
Zeit für ein kleines Zwischenfazit:
Wir haben ein freundliches, fröhliches, unternehmungslustiges und kreatives Volk kennengelernt. Nun ja, ein wenig kennengelernt. Die Menschen waren wundervoll und jederzeit hilfsbereit, man darf nur nicht versuchen, eine Metro zu verlassen, wenn sie gerade einsteigen wollen.. Dann können sie ziemlich ungemütlich sein, allerdings wortlos, also ohne jegliche Schimpfattacken.
Touristen sind in China meist ebenfalls Chinesen.
Als "Westler" waren wir hier eine verschwindend kleine Minderheit. Vielleicht blieben manche in der Nachsaison und während der Feierlichkeiten zum 70. Jubiläum lieber zu Hause? Aber gerade der Monat Oktober wird in den Reiseführern als ein sehr günstiger Zeitpunkt bezeichnet. Das können wir nur bestätigen.
Wir verlassen ein sicheres Land mit sehr geringer Kriminalität.
Der Preis dafür ist ein allgegenwärtiger Sicherheitsapparat. Chinesen sind wohl nie unbeaufsichtigt. Menschen und Gepäck werden an jedem Metrozugang im ganzen Land gescannt, wie auf einem Flughafen, mit allem Drum und Dran. Die Überwachungskameras sind allgegenwärtig, Und man übertreibt es auch ohne rot zu werden: an einem Fernbahnhof mussten wir unsere gefährlichen Deosprays abgeben. Ohne Pass kommt man in keinen Bahnhof und manchmal muss man sich auch einer Gesichtserkennung unterziehen.

Freier Eintritt für die Alten
Es gibt aber auch noch einen guten Grund, den Pass bei sich zu haben. Als Rentner hatten wir ein überraschendes Privileg. In öffentlichen Museen oder Einrichtungen brauchten auch wir als Ausländer in aller Regel, aufgrund unseres Alters, keinen Eintritt bezahlen. Man muss nur den Pass vorzeigen. Der kostenlose Zutritt war nicht nur unerwartet, sondern natürlich auch sehr angenehm. Es gab sogar Varianten, zum Beispiel galt einmal die Regel, alte Leute ab 60 zahlen den halben Preis, ab 70 freier Eintritt.
Warum das denn nun wieder?
In China wird eigentlich immer und überall irgendetwas abgesperrt. Die Frage nach dem Warum stellt sich nicht. Es wird schon einen guten Grund geben. Chinesen sind diesbezüglich erstaunlich geduldig und beschweren sich wohl auch kaum. Selbst in dem mitunter recht chaotischen Straßenverkehr, in dem es ständig zu Konflikten kommen müsste, nimmt man es, wie es ist und setzt seinen Weg fort. Auf Kreuzungen und im Taxi haben wir es nie anders erlebt. Aber wie man sieht, ein Schlupfloch findet sich hier und da.
China ist sicher ein großer Umweltsünder, wie wir alle.
Aber es geschieht eine ganze Menge. Buchstäblich auf jedem Pflasterstein kann man ein Fahrrad mieten. Wir haben auch nur elektrisch betriebe Roller gesehen, überraschend viele Elektroautos und Taxen mit einem Wasserstofftank im Kofferraum (Ärgerlich! Kein Platz für den Koffer). Sogar die Polizei geht neue Wege. Die Chinesen tun was und haben große Pläne! Und Pläne werden in China meist auch verwirklicht, wie man weiß. Unglaublich!
Ganz und gar wunderbar fand ich,
und ich erwähnte es schon , dass sich buchstäblich alle Menschen darüber freuten, wenn man sie oder ihre Kinder fotografierte. Offensichtlich begeistert sie das Interesse, das man ihnen entgegenbringt. Und sie wollten häufig ihrerseits Fotos mit diesen Exoten, also mit uns. Ich wünschte mir sehr, dass auch bei uns wieder ein entspannterer Umgang miteinander üblich und möglich werden könnte.
Sorry,
man wird mich hassen zu Hause, aber sechs Wochen lang haben wir keine Tattoos gesehen und kein Metall im Gesicht. Ein Labsal für die älteren Augen, deren Schönheitsempfinden zu einer anderen Zeit geprägt worden ist. Allerdings entdeckten wir ein Tattoo-Studio und das Unglück wird auch in China seinen Lauf nehmen.
Skandalös,
denn mein Englisch ist miserabel. Aber in China hätte mir Englisch kaum geholfen. Selbst am Tresen großer Hotels sprechen es nur wenige. Dabei ist jede Metro zweisprachig beschriftet, auch manche Geschäfte, Restaurants, Straßenschilder, Anzeigetafeln und anderes. Häufig aber auch nicht. Doch inzwischen, so hörten wir, haben es alle Kinder obligatorisch in der Schule.

Wat de Buer nich kennt, dat frett he nich
Wir haben jetzt mehrere Wochen über die Chinesen gestaunt, vor allem über das, was sie in den zwei, drei Jahrzehnten erreicht haben. Ich jedenfalls musste außerdem staunen, was ihnen so alles schmeckt. Die Chinesen staunen ganz sicher auch über uns, zum Beispiel, dass wir einen Kaffee, ein Stück Brot, etwas Butter und eine Scheibe Käse für ein Frühstück halten, oder dass wir den Toast noch essen, obwohl er schon braun geworden ist. Eine gemeinsame Küche gibt es allerdings auch inzwischen (aber ob das nun wirklich die ermutigende Nachricht ist?), es sind die amerikanischen Fastfood-Läden, die auch in China in allen Variationen und überall zu finden sind.
Noch ein spezielles Dankeschön
China hat in den letzten zwei Jahrzehnten ein größeres Hochgeschwindigkeitsnetz für die Bahn gebaut, als der Rest der Welt zusammen. Die dazugehörigen Bahnhöfe gehören natürlich dazu. Ob die Chinesen auch wissen, dass in Deutschland in der gleichen Zeit fast keine Schienen neu gebaut wurden und wir uns die Zeit lieber mit Streitigkeiten über den Umbau eines Bahnhofs vertreiben? Ich hoffe nicht! Der spezielle Dank gilt aber der Pünktlichkeit. Wir sind über 6.000 Km mit der Bahn gefahren und auch die Chinesen sind nicht fehlerfrei.
Bei sieben Einzelstrecken kamen wir wirklich einmal um drei Minuten "zu spät".
Auf Wiedersehen
Nach Hongkong geht es über diese Rolltreppe. Man braucht ein Ticket für den Zug und einen Pass mit einem Visum. Dass hier eine Grenze ist, wird einem sogar mit einem Warnhinweis auf Englisch deutlich gemacht. Unser Visum für China wird hinter einer Tür dort oben seine Gültigkeit verlieren. Für eine Rückreise müssten wir erst ein neues beantragen. Mal eben ein Ausflug nach Hongkong ist nicht möglich. In Hongkong brauchen wir kein Visum mehr. Es genügt, einen akzeptierten Pass zu besitzen.

ein ps. Li Wenliang gewidmet
Ich muss jetzt oft an die Menschen denken, an deren Gesichter ich mich erinnere, die ich aber wegen der Sprachbarriere nicht näher kennenlernen konnte. China leidet, während ich das hier schreibe, unter der Virus-Gefahr. In Wuhan standen wir nur kurz auf dem Bahnhof, stiegen aber nicht aus. Die Stadt war nicht Teil unserer Pläne. Aber ich kann mir vorstellen, wie schwierig das Leben in dieser Elfmillionenstadt und in anderen Städten jetzt ist. Und vor allem muß ich an den fabelhaften Arzt Li Wenliang aus Wuhan denken (ich leihe mir hier sei Foto), der mit anderen schon frühzeitig vor dem Virus gewarnt hatte und der jetzt durch die Krankheit gestorben ist. Nur 33 Jahre wurde er, so alt, wie eine meiner Töchter. Welch' ein starker Beweis dafür, dass die Redefreiheit und damit die Pressefreiheit eine unverzichtbare Größe in unserem Leben darstellt, ist sie doch geeignet und dazu da, auf Fehlentscheidungen aufmerksam zu machen. Aber die Chinesen beginnen über die Lügen kritisch nachzudenken. Das ist die gute Nachricht. Dr. Li Wenliang hat den entscheiden Satz dazu formuliert: "Eine gesunde Gesellschaft sollte nicht nur eine Stimme haben."
Als ich diesen Text schrieb, ahnte ich noch nicht, dass das Virus so massiv auch zu uns nach Europa kommen wird. Das ist die Globalisierung. Wir leben alle im selben Haus. Das müssen wir wohl jetzt endgültig begreifen und uns entsprechend benehmen.